Dienstag, 18. November 2014

Kräuterweiber_2.Teil



## leiderleider - zur Zeit klappt es nicht, Bilder hochzuladen. Kommt noch....
Zu der Heckenzeit gäbe es noch viel mehr zu berichten, doch ich möchte euch mit einer Typischen Heckenpflanze die Geschichte weitererzählen:
Der Weißdorn, ein Erbe der Hecke
Eine der damals typischen Heckenpflanzen war der Weißdorn Crataegus spec.  in seinen verschiedenen Subspezies. Ich war sehr überrascht über die vielfältigen Arten des Weißdorns, die im Arboretum der Universität Hohenheim wachsen. Hier blühten zu Pfingsten 2013 neben der bei uns heimischen C. monogyna auch rosafarbene Weißdornbüsche aus Asien und solche, mit fast gradrandigen Blättern – wenn auch nur ein Teil der rd. 200 bekannten Crategus-Arten.

Im Frühjahr 2012 konnte ich in England den Ableger eines ganz besonderen Weißdorn sehen: Im Garten der alten Abtei von Glastonbury wächst ein Weißdorn, den auf Joseph von Arimathaea zurückgehen soll. Er brachte nach der Legende den Heiligen Gral - den Kelch in dem das Blut Jesu am Kreuz aufgefangen wurde, nach England. Warum Joseph von Arimatheaea nach England kam erzählt die Legende leider nicht. Auch nicht, warum er dort seinen Wanderstab in die Erde steckte. Der Stab wurzelte und aus ihm wurde ein Baum, der "holy thorn". Dieser soll zweimal im Jahr blühen, im Frühjahr und um Weihnacht, was für Weißdorn untypisch ist. Noch heute erhält die Königin jedes Jahr an Weihnacht einen blühenden Zweig des Weißdorns zur Erinnerung an die Ankunft des Grals in England.  Selbst die Dornenkrone Jesu soll aus Weißdorn gewesen sein.



Der dornige, 3-8 Meter hohe Strauch wächst in ganz Europa, nach wie vor überwiegend am Waldrand und an Hecken. Er kann bis zu sechshundert Jahre alt werden. Sein rötlich-weißes Holz ist außerordentlich hart und dauerhaft. Das Rosengewächs hat je nach Art mehr- oder weniger gelappte Blätter in sattem, kräftigen Grün. Im Frühling blüht er üppig mit unzähligen fünfblättrigen weißen Blüten aus denen im Herbst die satt roten, mehligen Früchte wachsen. Schlafdorn, Hagedorn, Mehldorn und Christdorn sind Namen, die man dem Weißdorn gegeben hat.  Der Duft aller Weißdornblüten ist Arteigen und wird von vielen Menschen als unangenehm, fischig empfunden. Ich rieche ihn gerne.

Dass er als Schutz- und Kraftpflanze in hohem Ansehen stand, erklärt sich allein aus der Geschichte der Hecke. Vor bösen Geistern soll er schützen und vor allerlei Krankheiten. Amulette aus Weißdornholz sollen besonders gut vor Krankheitsgeistern helfen  und Weißdornzweige vor das Haus gesetzt schützten vor Gifttieren und Giften überhaupt. Das altbayrische Wort „Haglsstegga“ weist darauf hin, dass Spazierstöcke aus Weißdorn gefertigt wurden – sie sind hart und stabil und sollen vor allem Bösen schützen.  Bestimmt wurden auch Zauberstäbe der Hexen und Magier aus Weißdorn gefertigt.

Der Weißdorn wird mit gutem Schlaf in Verbindung gebracht. Die Spindel an der sich Dornröschen stach, soll aus Weißdorn gewesen sein. Auch die Hecke um das Schloss war möglicherweise aus Weißdorn gewachsen. Wie schon gelesen, war der erholsame Schlaf hinter einer dichten Hecke am Besten möglich. In der „Edda“, der Sagensammlung nordischer Völker,  wird die Nacht umschrieben als die mit dem Schlafdorn betraute. Auch Merlin schläft angeblich bis ans Ende der Zeit unter den Zweigen eines Hagedorns.  Bei den Nordgermanen nannte man einen Schlafzauber „Weißdornstechen“ und noch immer sollen Bäuerinnen Weißdornholz an einer Wiege anbringen, damit das Kind gut schläft

Natürlich war der Weißdorn immer eine Heilpflanze, auch wenn sich die Anwendungsgebiete im Laufe der Zeit veränderten.  In Niederbayern wurde bei abnehmendem Mond mit einem Weißdorn im kranken Zahn herumgestochert, das soll gegen Zahnschmerzen helfen.  Weißdorn wurde bei fieberhaften Erkrankungen der Atemwege und bei nervös bedingten und psychischen Störungen angewendet, ebenso bei Fettleibigkeit.

Der Weißdorn wurde in Europa wohl erst ab dem 15. Jahrhundert zur Stärkung von Herz und Kreislauf eingesetzt. In Irland lobte der Arzt Green ein Geheimmittel gegen Herzkrankheiten. Das Geheimnis, Weißdornzubereitungen, wurde erst nach seinem Tod im Jahr 1894 gelüftet.  Im Jahre 1896 erschien die erste wissenschaftliche Abhandlung über den Weißdorn im New York Medical Journal.

Die Wirkung des Weißdorns wird in der rationalen Phytotherapie beschrieben als Stärkung der Herzkraft und des Herzmuskels, Regulierung des Herzrhythmus und des Blutdrucks. Man vermutet, dass er den Sympathikotonus reguliert. Weißdorn als Tee, Tinktur oder Fertigpräparat kann ebenfalls sehr gut als Begleittherapie anderer Therapien eingesetzt werden. Es wurden bisher keine Nebenwirkungen festgestellt, auch die Dauer der Einnahme ist unbegrenzt. 

Ausführliche Studien belegten die Wirksamkeit des Weißdorns in den Anwendungsgebieten funktionelle Herzbeschwerden, koronare Herzkrankheiten und leichte Formen der Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen und Angina Pectoris. Insbesondere beim sog. Altersherz wird Weißdorn mit Erfolg eingesetzt. Weißdorn ökonomisiert die Herztätigkeit ohne das Herz zu stressen.  Die Wirkung basiert auf dem Zusammenspiel seiner Inhaltsstoffe: bis 2% Flavonoide (Hyperosid, Rutin, Vitexin) Procyanidine und vor allem biogene Amine um die wichtigsten zu nennen. Diese Inhaltsstoffe sind in den Blättern und Blüten enthalten, die zusammen geerntet werden. Die Beeren besitzen eine vergleichbare Zusammensetzung der Inhaltsstoffe und sollen damit eine ähnliche Wirkung haben, auch wenn diese keine positive Monographie erhielten. Die Beeren enthalten zusätzlich zellschützende Anthocyane.

Der Zusammenhang zwischen der Zunahme von Herzkrankheiten und der fortschreitenden Zivilisation sowie der Industrialisierung ist aus meiner Sicht offensichtlich. Im Mittelalter wuchsen die Städte und damit die Anforderungen an die Menschen der Lebensrhythmus wurde schneller und härter und findet einen ersten Höhepunkt in der industriellen Revolution. „Höher, schneller, weiter“ ist noch immer das Motto für all jene, die in der modernen Welt mithalten wollen. Jedoch - je schneller der Takt des Lebens, desto schlechter kann das menschliche Herz diesen Takt halten. Sowohl im eigentlichen als auch im übertragenen Sinn. Insofern war es erst ab dem 15. Jahrhundert erforderlich, Mittel gegen Rhythmusstörungen jeder Art zu finden.

Auch zur Heilung auf der seelischen Ebene wird Weißdorn angewandt.  Die rationale Phythotherapie setzt ihn zur Unterstützung des Herzens bei Unruhe, Schlafstörungen, Angstzuständen und Depressionen ein.  Darüber hinaus wird Weißdorn eine heilende Wirkung auf das Herz im übertragenen Sinn zugesprochen: Er fördert die Herzenswärme und Herzensweisheiten. Er hilft, die eigenen Gefühle wahrzunehmen und zu achten. Weißdorn öffnet das Herz für die Liebe und hilft auch jenen, deren Herz gebrochen wurde indem er lehrt, sich selbst zu schützen und Enttäuschungen oder alten Schmerz abzulegen. Mit Weißdorn erhält man Kontakt zum Selbst, kann sich von Fremdbestimmung befreien und das Leben in Einklang mit sich selbst bringen.

Zur Zeit der Hecke war Weißdorn eine Pflanze der Götter und Geister. Weißdorn wurde der großen Göttin Diana geweiht (oder Demeter, Freya,… je nach Zeit und Kultur). Weiß und Rot – wie die Blüten und Beeren – sind die Farben der Göttin, die Farben von Blut und Milch. Sie west als Schicksalsgöttin, als Herrin über Leben und Tod im Reich jenseits der schützenden Hecke. Sobald der Hagedorn sein weißes Blütenkleid anzieht, erwacht die Göttin und nimmt als Maikönigin in der schönsten Jungfrau Gestalt an.[1] Im blühenden Weißdorn sah man die große Göttin in ihrem jungfräulichen, wilden, ungebundenen und verführerischen Aspekt. In ausschweifenden Feiern beschwor man die Fruchtbarkeit. Weißdorn darf für Ritualzwecke und zur Magie – Weißdorn als Zauberstab - daher erst nach den Frühlingsfeiern gepflückt bzw. geschnitten werden, wenn die Göttin ihm ihre Kraft verliehen hatte. Dieses Jahreskreisfest wurde später ersetzt durch christliche Feste – Ostern oder Pfingsten entsprechen in ihrer Botschaft der Erneuerung und dem Empfang des „Heiligen Geistes“ an die Beseelung der Felder durch die Götter. Doch nicht nur der weibliche Aspekt zeigt sich in diesem Strauch, die Dornen und das harte Holz werden mit dem männlichen Prinzip in Verbindung gebracht, mit Schutz und Kraft. Sonne und Mars, die Lebensspenderin und der Kämpfer. Im Weißdorn vereinen sich männliche und weibliche Kräfte auf heilsame Weise.

Später wurde der Weißdorn auch als Feen- und Hexenstrauch gesehen. Im angelsächsischen Raum gelten Weißdornbüsche als Wohnstätten der Feen. Ihre Beeren werden daher auch „pixie pears“ genannt: „Elfenbirnen“. Bis in die jüngste Vergangenheit soll es in Irland schwierig gewesen sein, neue Straßen zu bauen, wenn dabei Weißdornbüsche auszureißen waren, denn „einen Weißdornbusch darf man nicht fällen, das bringt Unglück, die Kühe und die Kinder sterben (Reihenfolge!) und man wird sein ganzes Geld verlieren“.

Der Schwarzdorn – die Schlehe – wirkt auf mich immer wie die „dunkle Schwester“ den Weißdorn. Kräftiger, dorniger, herber als der elfengleiche Weißdorn. Er wird in den gängigen Phythotherapie-Büchern ebenso selten erwähnt, wie er in der Mythologie in Erscheinung tritt. Dennoch hat er einen eigenen Charme und ich bin gespannt, ob er nicht doch irgendwann zu höherer Ehre gelangt und eine Heilwirkung verborgen hält, die erst in Zukunft gebraucht wird. Ein sehr naturverbundener, weiser alter Mann schenkte mir vor einiger Zeit einen Wander- und Kräutersammelstab aus Schwarzdorn. Er, der Strauch, lasse die Menschen nur schwer an sich heran und wen er einen einmal gefangen hat, lässt er nicht mehr so leicht los. Reißt man sich mit Gewalt los, hinterlassen die Dornen tiefe, schlecht heilende Wunden. Der alte Stockmacher überreichte mir den Wanderstab  mit einem verschmitzten Lachen – der passt zu Dir, hat er gesagt.  





[1]  (Storl, 2010)


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