Der Holunder – die Pflanze vom richtigen
Zeitpunkt
Ganz
in der Gepflogenheit moderner Kräuterfrauen folgen zunächst die messbaren,
nachweisbaren Fakten:
Der
Holunder zählt zu den Geißblattgewächsen, Capirfoliaceae und tritt in Wäldern,
an Flussufern sowie in Gärten und Anlagen in ganz Europa, West- und Mittelasien
und Nordafrika auf. Es gibt weltweit rund 40 Holunderarten, wovon in unseren
Breiten lediglich drei heimisch sind: der Rote oder Traubenholunder, Sambucus racemosa, der Strauchholunder, Sambucus ebulus und der in der Heilkunde
verwendete Schwarze Holunder, Sambucus
nigra. An einem ca. 3-8Meter hohen, flach wurzelnden astbesetzten Strauch
oder Baum mit rissiger, hellbraun bis grauer Rinde. Die Rinde ist mit vielen
Korkwarzen bewachsen, den sichtbaren Atmungsorganen, so genannten Lentizellen.
Im hohlen Stängel findet sich ein weißes, leicht herauslösbares Mark. An den
Ästen wachsen große, unpaarig angeordneten, 3- bis 7-zählig gefiederte Blätter.
Im Frühjahr erscheinen große, in Trugdolden angeordnete flache Blütenstände mit
gelblich-weißen, charakteristisch duftenden Blüten. Aus ihnen entwickeln sich
im Herbst die schwarzen Holunderbeeren.
In der
rationalen Phythotherapie finden sowohl Blüten als auch Beeren Anwendung. Die Blüten enthalten 0,7 bis 3,5%
Flavonoide mit den Hauptkomponenten Rutin, ferner Isoquercitrin, Hyperosid u.
a. Dazu ca 3% Hydroxyzmtsäurederivate (Chlorogensäure) geringe Mengen ätherische Öle sowie
Gerbstoffe, Phytosterine, Schleimstoffe, Triterpene, reichlich Kaliumsalze und
schweißtreibend wirkende Glykoside.
Holunderblüten
steigern die Abwehrkräfte und helfen bei starker Verschleimung., Husten und
Stirnhöhlenentzündungen. Sie werden bei fieberhaften Erkältungskrankheiten und
grippalen Infekten angewendet. Auch als Blutreinigungsmittel bei
Hautunreinheiten und üblem Körpergeruch finden Holunderblüten Anwendung.
Holunderbeeren enthalten Flavonoidglykoside wie Rutin, Isoquercitrin und
Hyperosid, Anthocyanglykoside wie Sambucin und Sambucyanin. Das schwach giftige
Sambunigrin baut sich erst bei Reife oder beim Kochen ab, daher sollten
Holunderbeeren vorzugsweise in gekochtem Zustand angewandt werden. Weiter
enthalten sind Zucker, organische Säuren wie Ascorbinsäure, Weinstein- und
Valeriansäure, Bitterstoffe und Vitamine (A, B1, B2, C) 100 g. frische Beeren
enthalten ca 65mg Vitamin B2, 18 mg Vitamin C und 17 mg Folsäure. Holunderbeeren
werden als gekochter Saft bei Erkältungen und als mildes Abführmittel
angewandt. Weiter dienen sie durch das Vitamin B der Schmerzlinderung bei
Nervenschmerzen. Aufgrund der zellschützenden Anthozyane setzt man
Holunderbeeren in der Begleittherapie von Krebserkrankungen ein. Das enthaltene
Kalium unterstützt die Ausscheidungsfunktionen und die Karotinoide die Funktion
der Schleimhäute und den Sehpurpur der Augen.
Die
Darreichungsformen reichen von Tee über
Bäder aus den Blüten bis zur Limonade oder Essig. Beeren werden meist als
gekochter Saft dargereicht. [1]
Früher
hatte der Holunder einen weitaus größeren Anwendungsbereich. Im Kräuterbuch von
Dr. Losch[2]
steht: Holunderblüten erweichen, lösen auf, mehren die Milch, lindern
Schmerzen, treiben Schweiß. Der Tee wird besonders alten Leuten gegen
Blutspeien und hartnäckigen Husten empfohlen.
Blüten gehören zum Eröffnungs- oder Gesundheitstee, zu den
Hauptkräutern, zu den Kataplasmenstoffen, zu dem erweichenden Klistier zum
erweichenden Gurgelwasser zu den zerteilenden Kräutern. Holunderblütentee ist
auch ein Wundmittle zum Waschen und zum Klistier. Die Blätter in Milch gesotten
führen ab, sie dienen auch zu Kataplasmen auf Brandwunden und Hämorrhoiden. Die
zerquetschten grünen Schoße mit den Blättern, im Wintder die geschabte gründe
Mittelrinde, dienen zum Auflegen auf entzündete Stellen und haben erprobte
Wirkung. Die Mittelrinde der Wurzel dient besonders als Abführmittel. (Von Rudi
Beiser wissen wir auch, dass die Richtung in die geschabt wurde eine Rolle
spielte: Schaben zur Wurzel hin erzeugt Durchfall, schaben zur Spitze hin
dagegen Erbrechen.)Die Beeren wirken giftwidrig, schweiß- und harntreibend,
ruhrstillen.
Der
Kräuterpfarrer Kneipp empfahl zur Frühlingskur Blutreinigungstee aus
Holunderblättern und legte auch der Blüte reinigende Wirkung bei. Den Absud der
Wurzel lobte er für Wassersucht und bestätigt damit, was schon Hippokrates
erprobte, dass dieser Absud so kräftig Wasser austreibe, dass er kaum von
irgendeinem andren Mittel übertroffen werde. Arme Leute kochten aus dem Saft
mit Zucker eine Limonade, welche in Kühl- und Labetrunk war, der den Magen
reinigt, auf die Harnausscheidung und günstig auf die Nieren wirkt. Die
Gedörrten Beeren gekocht oder zu Tee abgesotten oder einfach gegessen wirken
sehr gut bei heftigem Abweichen.
Zahlreiche
Geschichten aus allen Völkern ranken sich um die Heilkraft und die Magie des
Holunders:
Bei
den Germanen und Slawen war der
Holunder ein Lebensbaum der den Sippengeist beherbergte. Sie verehrten die
Liebesgöttin Freya in seinen Zweigen, die als Hand, Ohr und Mund der Göttin
galten. Niemand musste einen Holunder pflanzen denn die Göttin selbst fand den
besten Platz für einen Holunderbusch.
In Schweden heißt es, wer am
Mittsommerabend unter einem blühenden Holunder sitzt, der wird den König der
Elfen mit seinem Gefolge vorbeiziehen sehen. Oder vielleicht ist es auch die
Göttin, die da unter dem Holunder erscheint?
Holunder
wächst bevorzugt in der Nähe menschlicher Behausungen, er ist von alters her
ein Begleiter der Menschen. In Nordeuropa,
bei uns, sagte man Früher, dass Frau Holle (die Göttin Hulda) als Schutzgeist
im Holunder wohnt. Sie schützte vor Feuer, Seuchen und jeglichem Unheil und
schaute jeden Abend durch die Fenster um zu prüfen, ob alles in Ordnung war.
Der Holunder als guter Haus- und Hofgeist nahm den Kindern die Alpträume. Das
erste Badewasser eines Neugeborenen wurde unter den Holunderbusch geschüttet,
damit das Kind gesund blieb. Damals durfte der Holderstock an keinem Bauernhaus
fehlen; er gehörte zur Hausehre und böswillige Beschädigung desselben galt als
persönliche Beleidigung. Der Holunderbusch macht in altem Glauben negative
Energien und Unglück unschädlich, deswegen hat man ihm alle möglichen Leiden
und Krankheiten „angehängt“: Alte Verbände oder eitrige Lappen wurden mit
magischen Sprüchen an die Zweige gebunden um die Krankheit zu bannen. [3]
Auch
in christlichen Zeiten war dies noch gebräuchlich: „Guten Tag, Flieder, ich bring dir mein
Fieber, ich binde es an und geh in Gottes Namen davon“ Vor einem derart Mächtigen Busch zog man
ehrerbietig den Hut „Vor dem Holunder zieh den Hut herunter“.
Holunder
ist auch eine Schwellenpflanze und
daher für mich ein Symbol der wieder entdeckten Tradition der Kräuterfrauen.
Einige Anwendungen und Geschichten weisen besonders auf diese Eigenschaft: Gekochte
schwarzen Beeren sind heilsam, die roten unreifen hingegen giftig. Der Baum ist
schwer, zieht in die Tiefe, sein Holz hingegen ist leicht und luftig. Weiß wie
die Unschuld, das beginnende Leben, schwarz wie der Tod ist seine Signatur mit
den weißen Blüten und den schwarzen Beeren ein Symbol der Vereinigung von
Gegensätzen Die Germanen verwendeten Holunderruten bei Begräbnissen, Hollerbüsche
wurden auf Gräbern gepflanzt, wer mit Ahnen kommunizieren wollte, ging zum
hofeigenen Holunderbusch
Schutzräucherungen
mit Holundermarkt helfen, an der Schwelle zu neuen Schritten im Leben den
rechten Zeitpunkt für das Handeln zu finden. Auch die Blüten werden verräuchert
um eine leichte, geschützte, unbeschwerte und zuversichtliche Atmosphäre zu
schaffen. Mark und Holz werden besonders zu den wichtigen Jahreskreisfesten und
in den Raunächten geräuchert. [4]
Dabei
rät mir der Holunder, mir nötige Zeit auch zu nehmen, nicht zu hetzen sondern
geruhsam an die Arbeit zu gehen. Ich freue mich immer darüber, dass sich die
Blüten nicht alle auf einmal öffnen sondern mir oft mehrere Wochen Zeit lassen,
sie abzunehmen und zu trocknen oder zu verarbeiten. An sonnigen Standorten
blüht der Holunder früher und im Schatten später, doch auch an einem Busch
öffnen sich die Blüten nach und nach. Im Herbst ergeht es mit den Beeren genau
so, sind die Beeren auf der Schattenseite eines Holunders noch fast grün und unreif
können die auf der Sonnenseite bereits geerntet werden und ich kann geruhsam an
die Arbeit gehen, ohne befürchten zu müssen, ich verpasse die Ernte.
Die
Eldermutter, Erdmutter, Holle, so glaubte man, zieht das Übel in die Unterwelt
und läutert es dort zum Guten, bevor dessen Energie wieder an die Oberfläche
darf. Also war der Holunder der Vermittler zwischen der oberirdischen
und der unterirdischen Welt, eine Art Tor zur Anderswelt, schon seit keltischen
Zeiten. Ein Frevler, der den Holunder stutzte oder sein Holz verbrannte musste
damit rechnen, dass die im Holunder gebannten bösen Kräfte auf ihn übergingen.
Im Märchen der Frau Holle ist die
Botschaft des Holunders vom rechten Zeitpunkt verborgen. Frau Holle ist die
Erdmutter, die an der Wurzel des Holunders lebt, an der Schwelle zwischen
diesseitiger und jenseitiger Welt. Die weißen Blüten des Holunders sind wie der
Schnee, der fällt wenn Frau Holle ihre Betten ausschüttelt. Seine Beeren sind
schwarz wie das Pech, das am Tor über die herabfällt, die die Botschaft der
Holle nicht verstehen wollen. Dass sich die Goldmarie beim Spinnen verletzt ist
ebenfalls symbolisch – wir erinnern uns an die drei Göttinnen, die am
Lebensbaum sitzen und den Lebensfaden der Menschen spinnen, wickeln und
abschneiden. Auf der weltlichen Seite trafen sich die Frauen in Spinnstuben um
gemeinsam nicht nur Fäden zu spinnen sondern auch um sich die alten Geschichten
zu erzählen. Hier wurde über lange Zeit das Wissen verlorener Zeiten noch recht
unverhohlen weitergegeben, denn Männer hatten zu den Spinnstuben keinen Zugang.
Heute würde man sagen, hier wurden Netzwerke gesponnen, die den Frauen
erlaubten, verbotenes Wissen weiterzugeben.
Der Brunnen war der Übergang zwischen der oberen und der unteren Welt, bestimmt stand auch ein Holunder in seiner Nähe. Die kluge Marie, nachdem sie das Tor zur Anderswelt überschritten hatte, erkannte den richtigen Zeitpunkt, an dem das fertig gebackene Brot aus dem Ofen geholt werden musste oder zu dem die reifen Äpfel geerntet wurden. Halbgebackenes oder verbranntes Brot sind genau so wenig bekömmlich wie unreife oder faule Äpfel. Wer den rechten Zeitpunkt für eine Aufgabe oder eine Idee nicht erkennt, gefährdet in der Symbolik von Apfel und Brot das Überleben, im übertragenen Sinn wird eine zu früh ausgesprochene Idee nicht ernst genommen, hält man sie zu lange zurück ist sie vielleicht schon wieder bedeutungslos und überholt, bevor sie recht zum Tragen kommt. Goldmarie erkannte den Rechten Zeitpunkt, dafür erhielt sie bei ihrer Rückkehr großen Lohn. Die Pechmarie war vor allem auf den Lohn aus, ohne ihre Aufgaben zur rechten Zeit wahrzunehmen und auszuüben. Der Lohn für ihre mangelnde Aufmerksamkeit war holunderbeerschwarzes Pech, das an ihr haften blieb als sie auf die Obere Welt zurückkehrte und noch heute ist „Pech“ ein Wort dafür, dass eine Sache nicht gelungen ist.
Der Brunnen war der Übergang zwischen der oberen und der unteren Welt, bestimmt stand auch ein Holunder in seiner Nähe. Die kluge Marie, nachdem sie das Tor zur Anderswelt überschritten hatte, erkannte den richtigen Zeitpunkt, an dem das fertig gebackene Brot aus dem Ofen geholt werden musste oder zu dem die reifen Äpfel geerntet wurden. Halbgebackenes oder verbranntes Brot sind genau so wenig bekömmlich wie unreife oder faule Äpfel. Wer den rechten Zeitpunkt für eine Aufgabe oder eine Idee nicht erkennt, gefährdet in der Symbolik von Apfel und Brot das Überleben, im übertragenen Sinn wird eine zu früh ausgesprochene Idee nicht ernst genommen, hält man sie zu lange zurück ist sie vielleicht schon wieder bedeutungslos und überholt, bevor sie recht zum Tragen kommt. Goldmarie erkannte den Rechten Zeitpunkt, dafür erhielt sie bei ihrer Rückkehr großen Lohn. Die Pechmarie war vor allem auf den Lohn aus, ohne ihre Aufgaben zur rechten Zeit wahrzunehmen und auszuüben. Der Lohn für ihre mangelnde Aufmerksamkeit war holunderbeerschwarzes Pech, das an ihr haften blieb als sie auf die Obere Welt zurückkehrte und noch heute ist „Pech“ ein Wort dafür, dass eine Sache nicht gelungen ist.
Holunder
gilt als guter Begleiter in schwierigen Übergangszeiten im Leben. Er hüllt in
vertrauensvollen Schutz und wärmende Geborgenheit. Er bringt Menschen, die das
Leben als Kampf empfinden neue Perspektiven bei der Problembetrachtung. Die
eigenen Wünsche und Aufgaben werden bewusst und wieder mit Energie aufgeladen.
Der Boden unter den Füßen wird kraftvoll spürbar und verbindet mit der Energie
der Erde. Holunder ist ein Lehrer des Respekts in allen Beziehungen. Er lehrt,
alte Erfahrungen und neue Gelegenheiten zu verbinden und sich so immer weiter
zu entwickeln.
Für
mich ist daher der Holunder auch die
Pflanze der Übergangszeit zwischen dem völligen Vergessen des Wissens der
Kräuterfrauen und deren Rückkehr in die Medizin. Noch ist die rechte Balance
zwischen der traditionellen, naturverbundenen Pflanzenmedizin und der rationalen,
auf mess- und nachweisbare Substanzen ausgerichtete Schulmedizin nicht
hergestellt. Der richtige Zeitpunkt scheint noch nicht ganz gekommen, in der
beides selbstverständlich seine jeweils eigenen Domänen hat. Doch sind wir
bereits auf dem Weg, in der Sprache des Holunders sind die Blüten auf der
Sonnenseite bereits geöffnet und alle andren werden folgen.
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