Dienstag, 25. November 2014

Kräuterweiber_3.Teil



Zeit des Vergessens  - Beifußzeit
Der nächste und weitaus nachhaltigere Wandel in der Gesellschaft und damit auch für das Wirken der Kräuterfrauen brachte die Christianisierung. Die Geschichten zu den Veränderungen, die dieser neue Glaube mit sich brachte, füllen ganze Bibliotheken. Jeder Geschichtsschreiber bringt dabei auch seine eigene Weltanschauung mit ein, jeder betrachtet die Auswirkungen aus einem anderen Blickwinkel. Insbesondere über die Hexenverfolgung, die in hohem Maße auch eine Verfolgung der alten Heilkunde und dem Wissen der Kräuterfrauen war, existiert eine Menge an Literatur. Ich werde hier nur einige Aspekte aus unterschiedlichen Epochen beleuchten, um den Rahmen nicht zu sprengen.  
Die bis zum Auftauchen der ersten christlichen Missionare in Nordeuropa verehrten weiblichen Gottheiten  galten als die Lebensspenderinnen, Erdmütter, Erntebringerinnen. Freya, Diana, Holle oder Hulda, Venus, Demeter um nur einige zu nennen wurden als Göttinnen verehrt und hatten ihren festen Platz im Leben der Menschen. Jede der Gottheiten wurde für ihren eigenen speziellen Wirkungskreis angerufen. Der neue Glaube an einen monotheistischen männlichen Gott  entsprang einer völlig anderen Kultur. In den Oasen der Wüsten beschränkte man sich auf einen einzigen, mächtigen, allein herrschenden männlichen Gott. Der neue Gott als Erlöser fand zunächst in den niedrigen Bevölkerungs-schichten Beachtung, erst als der größte Teil der Menschen den neuen Glauben angenommen hatte, wurde er zur Staatsreligion im Römischen Reich. Dem neuen Gott wurden die Rolle des Wohltäters, Allwissenden, Heilers zugeschrieben,  für die alten Götter blieben die negativen Eigenschaften, sie wurden zu menschenfeindlichen Dämonen erklärt. Der Glaube an nur einen männlichen Gott veränderte das Ansehen der Frauen im Allgemeinen und der heilkundigen Frau im Besonderen, die Auswirkungen sind bis heute zu spüren. Vom Beginn der missionarischen Tätigkeit an wurden die weisen Frauen diffamiert, die Kultur der weiblichen, kräuterkundigen Heilerinnen und die indigene, naturorientierte Lebensweise waren Rivalen im Kampf und die Seele.
Über einen langen Zeitraum blieben die heilkundigen Frauen – gerade in dünner besiedelten Gebieten - offen tätig, wenngleich oft im volkschristlichen Gewand. Sie sammelten weiterhin ihre Kräuter in der Hecke, im Wald und auf dem Feld, brauten ihre heilkräftigen Tränke und rührten Salben. Bis ins Mittelalter hinein waren sie die Trägerinnen alter Spiritualität Von diesen Frauen ist in den Geschichtsbüchern nichts geblieben, dennoch waren Sie für die körperliche und seelische Gesundheit der Menschen unersetzlich. Die Menschen brauchten die Kräuterfrauen  und verehrten weiterhin ihre Götter in den alten Naturritualen. Der neue Glaube floss zum Teil einfach in den alten mit ein, beides existierte miteinander. Bis ins 17. Jahrhundert stand in Köln ein Tempel der Venus genau so selbstverständlich wie eine christliche Kirche.
In den größeren Siedlungen verlegte man die Anbetung des neuen Gottes in feste Gebäude, in den Ritualen der christlichen Gottesdienste war kein Platz mehr für die Verehrung der Natur. Auch die Menschen lebten zunehmend hinter festen Mauern, viele Menschen zogen das vermeintlich einfachere Leben in den Städten dem harten Stand des Bauern vor. Die bisher gelebten Bräuche, die Natur und deren Wesenheiten, die alten Götter und das Wissen um die Heilkraft der Pflanzen gerieten mehr und mehr in Vergessenheit.
Was man nicht mehr kennt, macht immer auch Angst, so mutierten die einst verehrten
(Pflanzen-)Geister zu Schreckgespenstern.  Krankheit galt nun als Strafe für schlechtes Benehmen und musste als solche angenommen werden, nur Reue konnte zur Heilung führen. Bußpraktiken und Wallfahrten – oft verbunden mit der Zahlung wirtschaftlicher Güter an die Kirche, florierten als Heilmittel. Wenn Heilung erlaubt war, dann höchstens durch einen der christlichen Prediger. Die Verwendung der über die Jahrhunderte erlangten Pflanzenheilkunde geriet in Verruf, heilkundige Frauen wurden nun als Wiedersacher des neuen Gottes als „göttlicher Arzt“ angesehen. Da sie in ihren Zyklen und in der Gebärfähigkeit ohnehin der Natur näherstanden als der Mann war es naheliegend, dass ihnen die Rolle der Zwiespältigen, Unheilbringenden und Undurchschaubaren zugeschrieben wurde. Die Heilkunst der Kräuterfrauen wurde nach und nach in den Hintergrund gedrängt und verlor an Bedeutung.
Dies allein der christlichen Kirche zuzuschreiben wäre wohl unfair, sie gelangte nur deshalb zu immer mehr Macht, weil das Volk dies zuließ und die alten Götter durch den neuen Glauben ersetzte. Ich frage mich, was die Menschen dazu brachte den Priestern und ihren Lehren mehr vertrauten als der eigenen Geschichte? War es, weil dieser eine Gott einfacher zu verehren war, als eine Vielzahl von Götter, die Aufmerksamkeit verlangten? War es, weil man die Verantwortung für das eigene Leben diesem Gott übergeben konnte?
Mit dem Christentum gelangten auch neue Heilpflanzen nach Nordeuropa, die als besonders heilkräftig angesehen wurden, da sie direkt aus dem Heiligen Land kamen oder in der Bibel Erwähnung fanden. Mönche und Nonnen bauten die neuen wie auch die alten Heilpflanzen in Klostergärten an, doch fehlte das Wissen um den rechten Standort oder den besten Erntezeitpunkt oder die geeigneten Rezepturen. Die Pflanzen des Mittelmeers entfalteten in den kälteren Regionen nicht dieselbe Kraft wie im Süden und kamen daher gegen die einheimischen Heilkräuter in ihrer Wirksamkeit nicht an. Bei den einheimischen Heilpflanzen fehlte in der Anwendung in der Klosterheilkunde der Kontext, das Ritual des Heilwerdens mit dem die Kräuterfrauen ihre Heilanwendungen betrieben. Die traditionelle Kräuterkunde der Frauen verordnete seltener einzelne Pflanzen als vielmehr intelligent Entwickelte Rezepturen, bei der verschiedene Komponenten sich in ihrer Wirkung unterstützten oder Nebenwirkungen unterdrückten. Sie nahmen die Krankheit in anderen Zusammenhängen war, als die Kirche und konnten aus ihrer Erfahrung heraus oft besser helfen als die Klostermedizin. Die Kirchenmänner wurden misstrauisch und fürchteten um ihre Glaubwürdigkeit, wenn die Heilkunst der Kräuterfrauen wirksamer war als ihre eigene. Sie  nahm die bessere Wirksamkeit der traditionellen Heilanwendungen auch zum Anlasse, den Kräuterfrauen Zauberei zu unterstellen, damals eine Todsünde. So mussten die Kräuterfrauen sich mit ihrem Wissen mehr und mehr verstecken und konnten oftmals auch nur heimlich aufgesucht werden. Wehe, wenn sie dabei erwischt wurden oder wenn ein Kranker nicht die Wirkung erhielt, die er sich erwünschte. Schnell war die Schuldige gefunden, angeklagt und verurteilt.
Im 13. Jahrhundert wurde der Ärzte- und Apothekerstand voneinander getrennt, Arzneimittelpreise festgelegt und der Standort von Apotheken bestimmt. Der Beruf des Mediziners durfte nur noch von Ärzten betrieben werden, die an den neu entstandenen Universitäten studiert hatten.[1] Das Studium selbst war nur Männern erlaubt. Die Tätigkeiten der Kräuterfrauen noch mehr als zuvor illegal, allenfalls geduldet. Jahrhunderte altes Heilwissen der Frauen wurde verdrängt und verboten, die alten Frau aus der Hecke, die Hagezusse, wurden zur gefährlichen Hexe, die mit dem Teufel im Bunde steht. Das über Generationen von Kräuterfrauen weitergegebene Wissen fand zwar teilweise Eingang in die Bücher der Gelehrten, doch durch das bloße Aufschreiben fehlte der Bezug. Nicht selten schlichen sich auch Übertragungsfehler ein,  durch Missverständnisse oder schlecht lesbare Handschriften und aufgrund der fehlenden einheitlichen Schriftsprache. So hatten die alten Rezepte nicht die Wirksamkeit, die man erwartete, was wiederum den guten Ruf der Kräuterfrauen schwächte. Wieder ein Grund mehr, ihnen Hexerei und einen Teufelspakt zu unterstellen. Zwar waren immer noch viele Menschen vom alten Wissen über Heilpflanzen und deren Anwendung  abhängig, es gab nicht genügend Ärzte, insbesondere außerhalb der Städte und wenn es diese gab, konnten sich nicht alle deren Behandlung leisten.
Das Wissen der alten Frau aus der Hecke wurde z. T. von den Klöstern überlagert und vermischte sich mit der Klosterheilkunde. Ganz verdrängt wurde es nicht, doch stark verändert und im neuen Bild der Kirche weiter angewandt. Hildegard von Bingen (1098 – 1179) ist das wohl bekannteste Beispiel der weiblichen Klosterheilkunde. Ihr naturkundliches Werk die „Physica“ behandelt  nach der im Schöpfungsbericht beschriebenen Reihenfolge die Pflanzen, Elemente, Bäume, Steine, Fische, Vögel, Tiere, Reptilien und Metalle, sie erläutert  deren Eigenschaften und ihren Nutzen für den Menschen. In der „Cause et curae“ beschreibt sie eine Fülle damals bekannter Krankheiten in Verbindung mit entsprechenden Therapien.  Sie ist die einzige Frau der alten Zeit, von der uns schriftliche Überlieferungen erhalten blieben. Doch zählt sie schon nicht mehr zur Tradition der alten Kräuterfrauen, ihr Wirken war durch die christliche Mythologie beeinflusst. Um die Macht der alten Götter, der Erkenntnisse der neuen Völker und das Wissen der Kräuterfrauen zu unterminieren wurden deren Bräuche verleugnet, als Hirngespinste abgetan und als sündig verteufelt. Oder man machte diese lächerlich, nahm die Rituale nicht ernst und verspottete die, die sie anwandten. Wo dies nicht gelang ging man dazu über, alte Bräuche zu assimilieren. Die Gottheiten der alten Zeit ersetzte man durch neue sog. Heilige. Alle guten Eigenschaften der weiblichen Gottheiten schrieb man Maria, der Mutter Gottes, zu. Viele Rituale und Feste mit denen die alten Götter verehrt wurden, fanden in veränderter Weise nun zu Ehren des neuen Gottes oder der Gottesmutter statt. Flurprozessionen zu Christi Himmelfahrt oder die zu Maria Himmelfahrt gesammelten Kräutersträuße oder das Aufstellen eines Maibaumes erinnern bis heute an alte Jahreskreisrituale.

Ab dem15. Jahrhundert veränderten einige Ereignisse die Welt erneut in erheblicher Weise. Der Buchdruck ermöglichte nun, die Kräuterbücher auch in der Sprache des Volkes zu veröffentlichen und mehr Menschen zugänglich zu machen. Damit verlor man die Abhängigkeit vom mündlich überlieferten Wissen der Frauen. Mit der Entdeckung des amerikanischen Kontinents schleppten die Seefahrer neue Krankheiten nach Europa, gegen die hier „kein Kraut gewachsen war“, auch die Kräuterfrauen standen dem meist machtlos gegenüber. Dazu kam die sog. kleine Eiszeit des 16. Jahrhunderts in der Hungersnöte grassierten sowie die Bedrohung durch Machtgebaren von weltlichen und kirchlichen Würdenträgern und der damit verbundenen Kriege. Nicht zuletzt die oft unverständlichen Enddeckungen der aus fernen Ländern heimkehrenden Seefahrer und der gerade florierenden Naturwissenschaften  führten dazu, dass die Menschen in Angst lebten und den Predigten der christlichen Priester mit ihren Heilsversprechen ein leichtes Opfer waren. Aber auch in der weltlichen Regierung hatte die Frau längst an Ansehen eingebüßt. Die bisher latent vorhandene Frauenverachtung gepaart mit Vorstellungen von Dämonen und Zauberei im Kontext der Angst und des Mangels, führten zur weiteren Diffamierung der Heilkundigen Frauen und ihren Kenntnissen. Misslang nun die Heilung eines Kranken durch die Behandlung einer Kräuterfrau, so wurde dies auf deren Zusammenarbeit mit dem Teufel in Verbindung gebracht. War man der Auffassung, dass bei den wirtschaftlichen, persönlichen oder klimatischen Schwierigkeiten, denen man ausgesetzt war, böse Mächte oder schlechte Wünsche mit im Spiel waren, suchten die Menschen nach Schuldigen. Die ehemals geschätzten Kräuterfrauen hatten Fähigkeiten, die das Handlungsspektrum einfacher Menschen überstieg und gerieten damit in den Fokus der Aufmerksamkeit. Die alte Heilkunst und Magie machte man zum erklärten Feind von Kirche und Staat, die Heilerinnen wurden denunziert, verfolgt und bekämpft.
Im 14. Jahrhundert erklärte man eine Frau, die sich anmaßte zu heilen ohne studiert zu haben, zur Hexe. Die Inquisition, ehemals gegen Kirchengegner und Splittergruppen wie die Katharer gerichtet, richtete sich nun gegen die Kräuterheilkundigen, Magie betreibenden oder dem alten Glauben immer noch angehörenden. Hexenverfolgung wurde zur Raserei, in der unzählige Menschen, zumeist Frauen, einen grausamen Tod fanden. Traditionelle Kräutermedizin übte man nur noch heimlich aus und jede, die diese praktizierte stand in Gefahr, entdeckt oder verraten zu werden und damit der Willkür  kirchlicher oder weltlicher Gerichtsbarkeit ausgesetzt zu werden. Das einst offen weitergegebene Wissen versteckte man daher in Märchen und Sagen, verlor so aber an Eindeutigkeit, es bedurfte einiges an Interpretation, um das darin verborgene Wissen zu erkennen.
Eine verheerend grassierende neue Seuche war die Syphilis, „Morbus Gallicus“ weil sie zuerst bei den aus Amerika zurückgekehrten französischen Matrosen auftrat. Kein Kraut konnte helfen also griff man auf Quecksilber zurück, einer Errungenschaft der arabischen Alchemie, gegen die Schmerzen wurde Opium verabreicht. Die syphilitischen Symptome konnten dadurch teilweise gebessert werden, so dass nahm die horrenden Nebenwirkungen in Kauf. Schwermetalle und mineralische Gifte wie Antimon und Vitriol fanden Einzug in die medizinische Behandlung, dies war wohl der  Anfang moderner chemischer Medizin. [2] Da die Krankheit auch bei flüchtigem sexuellem Kontakt übertragen werden konnte, entstand ein Misstrauen zwischen den Geschlechtern. Frauen galten als Überträgerinnen der Krankheit - ein Mann steckte sich bei der Frau an, nie umgekehrt.[3] Diese Sichtweise schlug sich auch im Bild der Heilkundigen Frauen nieder. Waren auf der einen Seite die Menschen prüder im Umgang miteinander, die Frauen mussten sich mehr in üppiger Kleidung verhüllen, unterstellte man andererseits den Hexen sexuellen Umgang mit dem Teufel. Es ist bezeichnend, dass die Foltermethoden häufig am nackten Frauenkörper vollzogen wurden, die äußerlichen Geschlechtsmerkmale waren für Verbrennungen und Verstümmelungen besonders beliebt. Die Inquisitoren aber auch die bildenden Künstler der Zeit wurden nicht müde, die Hexe und deren sündige Praktiken in aller Ausführlichkeit zu beschreiben. Auf mich wirkt das wie Pornographie der schlimmsten Art  – die Priester selbst hatten sich dem Zölibat verschrieben und konnten nun, in der detaillierten Beschreibung der Hexen und deren Praktiken im Umgang mit dem Teufel sowie in den Folterungen, ihre unterdrückte Lust auf perverse Weise ausleben.
Das Bild der Frau hatte sich nachhaltig verändert, sie galt mehr denn je als minderwertig, unwürdig, unwissend, als Sünde bringende Verführerin. Das Wissen der Kräuterfrauen war fast verloren, nur noch Bruchstücke davon konnten über die Zeit gerettet werden.




[1] (Bühring, 2011)
[2] (Storl, 1998)
[3] (Storl, 2010)

Dienstag, 18. November 2014

Kräuterweiber_2.Teil



## leiderleider - zur Zeit klappt es nicht, Bilder hochzuladen. Kommt noch....
Zu der Heckenzeit gäbe es noch viel mehr zu berichten, doch ich möchte euch mit einer Typischen Heckenpflanze die Geschichte weitererzählen:
Der Weißdorn, ein Erbe der Hecke
Eine der damals typischen Heckenpflanzen war der Weißdorn Crataegus spec.  in seinen verschiedenen Subspezies. Ich war sehr überrascht über die vielfältigen Arten des Weißdorns, die im Arboretum der Universität Hohenheim wachsen. Hier blühten zu Pfingsten 2013 neben der bei uns heimischen C. monogyna auch rosafarbene Weißdornbüsche aus Asien und solche, mit fast gradrandigen Blättern – wenn auch nur ein Teil der rd. 200 bekannten Crategus-Arten.

Im Frühjahr 2012 konnte ich in England den Ableger eines ganz besonderen Weißdorn sehen: Im Garten der alten Abtei von Glastonbury wächst ein Weißdorn, den auf Joseph von Arimathaea zurückgehen soll. Er brachte nach der Legende den Heiligen Gral - den Kelch in dem das Blut Jesu am Kreuz aufgefangen wurde, nach England. Warum Joseph von Arimatheaea nach England kam erzählt die Legende leider nicht. Auch nicht, warum er dort seinen Wanderstab in die Erde steckte. Der Stab wurzelte und aus ihm wurde ein Baum, der "holy thorn". Dieser soll zweimal im Jahr blühen, im Frühjahr und um Weihnacht, was für Weißdorn untypisch ist. Noch heute erhält die Königin jedes Jahr an Weihnacht einen blühenden Zweig des Weißdorns zur Erinnerung an die Ankunft des Grals in England.  Selbst die Dornenkrone Jesu soll aus Weißdorn gewesen sein.



Der dornige, 3-8 Meter hohe Strauch wächst in ganz Europa, nach wie vor überwiegend am Waldrand und an Hecken. Er kann bis zu sechshundert Jahre alt werden. Sein rötlich-weißes Holz ist außerordentlich hart und dauerhaft. Das Rosengewächs hat je nach Art mehr- oder weniger gelappte Blätter in sattem, kräftigen Grün. Im Frühling blüht er üppig mit unzähligen fünfblättrigen weißen Blüten aus denen im Herbst die satt roten, mehligen Früchte wachsen. Schlafdorn, Hagedorn, Mehldorn und Christdorn sind Namen, die man dem Weißdorn gegeben hat.  Der Duft aller Weißdornblüten ist Arteigen und wird von vielen Menschen als unangenehm, fischig empfunden. Ich rieche ihn gerne.

Dass er als Schutz- und Kraftpflanze in hohem Ansehen stand, erklärt sich allein aus der Geschichte der Hecke. Vor bösen Geistern soll er schützen und vor allerlei Krankheiten. Amulette aus Weißdornholz sollen besonders gut vor Krankheitsgeistern helfen  und Weißdornzweige vor das Haus gesetzt schützten vor Gifttieren und Giften überhaupt. Das altbayrische Wort „Haglsstegga“ weist darauf hin, dass Spazierstöcke aus Weißdorn gefertigt wurden – sie sind hart und stabil und sollen vor allem Bösen schützen.  Bestimmt wurden auch Zauberstäbe der Hexen und Magier aus Weißdorn gefertigt.

Der Weißdorn wird mit gutem Schlaf in Verbindung gebracht. Die Spindel an der sich Dornröschen stach, soll aus Weißdorn gewesen sein. Auch die Hecke um das Schloss war möglicherweise aus Weißdorn gewachsen. Wie schon gelesen, war der erholsame Schlaf hinter einer dichten Hecke am Besten möglich. In der „Edda“, der Sagensammlung nordischer Völker,  wird die Nacht umschrieben als die mit dem Schlafdorn betraute. Auch Merlin schläft angeblich bis ans Ende der Zeit unter den Zweigen eines Hagedorns.  Bei den Nordgermanen nannte man einen Schlafzauber „Weißdornstechen“ und noch immer sollen Bäuerinnen Weißdornholz an einer Wiege anbringen, damit das Kind gut schläft

Natürlich war der Weißdorn immer eine Heilpflanze, auch wenn sich die Anwendungsgebiete im Laufe der Zeit veränderten.  In Niederbayern wurde bei abnehmendem Mond mit einem Weißdorn im kranken Zahn herumgestochert, das soll gegen Zahnschmerzen helfen.  Weißdorn wurde bei fieberhaften Erkrankungen der Atemwege und bei nervös bedingten und psychischen Störungen angewendet, ebenso bei Fettleibigkeit.

Der Weißdorn wurde in Europa wohl erst ab dem 15. Jahrhundert zur Stärkung von Herz und Kreislauf eingesetzt. In Irland lobte der Arzt Green ein Geheimmittel gegen Herzkrankheiten. Das Geheimnis, Weißdornzubereitungen, wurde erst nach seinem Tod im Jahr 1894 gelüftet.  Im Jahre 1896 erschien die erste wissenschaftliche Abhandlung über den Weißdorn im New York Medical Journal.

Die Wirkung des Weißdorns wird in der rationalen Phytotherapie beschrieben als Stärkung der Herzkraft und des Herzmuskels, Regulierung des Herzrhythmus und des Blutdrucks. Man vermutet, dass er den Sympathikotonus reguliert. Weißdorn als Tee, Tinktur oder Fertigpräparat kann ebenfalls sehr gut als Begleittherapie anderer Therapien eingesetzt werden. Es wurden bisher keine Nebenwirkungen festgestellt, auch die Dauer der Einnahme ist unbegrenzt. 

Ausführliche Studien belegten die Wirksamkeit des Weißdorns in den Anwendungsgebieten funktionelle Herzbeschwerden, koronare Herzkrankheiten und leichte Formen der Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen und Angina Pectoris. Insbesondere beim sog. Altersherz wird Weißdorn mit Erfolg eingesetzt. Weißdorn ökonomisiert die Herztätigkeit ohne das Herz zu stressen.  Die Wirkung basiert auf dem Zusammenspiel seiner Inhaltsstoffe: bis 2% Flavonoide (Hyperosid, Rutin, Vitexin) Procyanidine und vor allem biogene Amine um die wichtigsten zu nennen. Diese Inhaltsstoffe sind in den Blättern und Blüten enthalten, die zusammen geerntet werden. Die Beeren besitzen eine vergleichbare Zusammensetzung der Inhaltsstoffe und sollen damit eine ähnliche Wirkung haben, auch wenn diese keine positive Monographie erhielten. Die Beeren enthalten zusätzlich zellschützende Anthocyane.

Der Zusammenhang zwischen der Zunahme von Herzkrankheiten und der fortschreitenden Zivilisation sowie der Industrialisierung ist aus meiner Sicht offensichtlich. Im Mittelalter wuchsen die Städte und damit die Anforderungen an die Menschen der Lebensrhythmus wurde schneller und härter und findet einen ersten Höhepunkt in der industriellen Revolution. „Höher, schneller, weiter“ ist noch immer das Motto für all jene, die in der modernen Welt mithalten wollen. Jedoch - je schneller der Takt des Lebens, desto schlechter kann das menschliche Herz diesen Takt halten. Sowohl im eigentlichen als auch im übertragenen Sinn. Insofern war es erst ab dem 15. Jahrhundert erforderlich, Mittel gegen Rhythmusstörungen jeder Art zu finden.

Auch zur Heilung auf der seelischen Ebene wird Weißdorn angewandt.  Die rationale Phythotherapie setzt ihn zur Unterstützung des Herzens bei Unruhe, Schlafstörungen, Angstzuständen und Depressionen ein.  Darüber hinaus wird Weißdorn eine heilende Wirkung auf das Herz im übertragenen Sinn zugesprochen: Er fördert die Herzenswärme und Herzensweisheiten. Er hilft, die eigenen Gefühle wahrzunehmen und zu achten. Weißdorn öffnet das Herz für die Liebe und hilft auch jenen, deren Herz gebrochen wurde indem er lehrt, sich selbst zu schützen und Enttäuschungen oder alten Schmerz abzulegen. Mit Weißdorn erhält man Kontakt zum Selbst, kann sich von Fremdbestimmung befreien und das Leben in Einklang mit sich selbst bringen.

Zur Zeit der Hecke war Weißdorn eine Pflanze der Götter und Geister. Weißdorn wurde der großen Göttin Diana geweiht (oder Demeter, Freya,… je nach Zeit und Kultur). Weiß und Rot – wie die Blüten und Beeren – sind die Farben der Göttin, die Farben von Blut und Milch. Sie west als Schicksalsgöttin, als Herrin über Leben und Tod im Reich jenseits der schützenden Hecke. Sobald der Hagedorn sein weißes Blütenkleid anzieht, erwacht die Göttin und nimmt als Maikönigin in der schönsten Jungfrau Gestalt an.[1] Im blühenden Weißdorn sah man die große Göttin in ihrem jungfräulichen, wilden, ungebundenen und verführerischen Aspekt. In ausschweifenden Feiern beschwor man die Fruchtbarkeit. Weißdorn darf für Ritualzwecke und zur Magie – Weißdorn als Zauberstab - daher erst nach den Frühlingsfeiern gepflückt bzw. geschnitten werden, wenn die Göttin ihm ihre Kraft verliehen hatte. Dieses Jahreskreisfest wurde später ersetzt durch christliche Feste – Ostern oder Pfingsten entsprechen in ihrer Botschaft der Erneuerung und dem Empfang des „Heiligen Geistes“ an die Beseelung der Felder durch die Götter. Doch nicht nur der weibliche Aspekt zeigt sich in diesem Strauch, die Dornen und das harte Holz werden mit dem männlichen Prinzip in Verbindung gebracht, mit Schutz und Kraft. Sonne und Mars, die Lebensspenderin und der Kämpfer. Im Weißdorn vereinen sich männliche und weibliche Kräfte auf heilsame Weise.

Später wurde der Weißdorn auch als Feen- und Hexenstrauch gesehen. Im angelsächsischen Raum gelten Weißdornbüsche als Wohnstätten der Feen. Ihre Beeren werden daher auch „pixie pears“ genannt: „Elfenbirnen“. Bis in die jüngste Vergangenheit soll es in Irland schwierig gewesen sein, neue Straßen zu bauen, wenn dabei Weißdornbüsche auszureißen waren, denn „einen Weißdornbusch darf man nicht fällen, das bringt Unglück, die Kühe und die Kinder sterben (Reihenfolge!) und man wird sein ganzes Geld verlieren“.

Der Schwarzdorn – die Schlehe – wirkt auf mich immer wie die „dunkle Schwester“ den Weißdorn. Kräftiger, dorniger, herber als der elfengleiche Weißdorn. Er wird in den gängigen Phythotherapie-Büchern ebenso selten erwähnt, wie er in der Mythologie in Erscheinung tritt. Dennoch hat er einen eigenen Charme und ich bin gespannt, ob er nicht doch irgendwann zu höherer Ehre gelangt und eine Heilwirkung verborgen hält, die erst in Zukunft gebraucht wird. Ein sehr naturverbundener, weiser alter Mann schenkte mir vor einiger Zeit einen Wander- und Kräutersammelstab aus Schwarzdorn. Er, der Strauch, lasse die Menschen nur schwer an sich heran und wen er einen einmal gefangen hat, lässt er nicht mehr so leicht los. Reißt man sich mit Gewalt los, hinterlassen die Dornen tiefe, schlecht heilende Wunden. Der alte Stockmacher überreichte mir den Wanderstab  mit einem verschmitzten Lachen – der passt zu Dir, hat er gesagt.  





[1]  (Storl, 2010)


Donnerstag, 6. November 2014

Kräuterweiber_1. Teil

es ist wahrhaftig mehr als ein Jahr her, dass ich hier ein paar Zeilen veröffentlichte. Das Kräuterweib ist jetzt Oma und hat viel Zeit mit dem Enkel verbracht. Das werd ich auch künftig tun, dennoch soll es hier wieder öfter was zu Lesen geben.
Letztes Jahr hab ich die Ausbildung zur Heilkräuter-Fachfrau in der Freiburger Heilpflanzenschule absolviert und am Ende dieser Ausbildung darf Frau eine Abschlussarbeit schreiben. Meine handelt von der Tradition der Kräuterfrauen und ich werde die Arbeit hier nach und nach veröffentlichen.
Kapitel eins:




Zeit des Erwachens  - Heckenzeit

Als in der frühen Steinzeit das Eis der letzten Eiszeit geschmolzen war und die Bäume allmählich die Erde eroberten verlagerte sich das Jagen der Männer auf kleinere Tiere und wurde in den wachsenden Wäldern zunehmend schwieriger. Früchte, Samen und Wurzeln gewannen an Bedeutung für das Überleben der Sippe. Da innerhalb der natürlichen Arbeitsteilung der Naturvölker diese Arbeit vor allem Frauen zufiel, gewann auch deren Arbeit zunehmend an Gewicht.
Ob absichtlich gepflanzt oder wild gewachsen, zwischen den Feldern der jungsteinzeitlichen Hackbauern und dem wilden Wald der Jäger und Sammler entstand die erste Schutzhecke aus dornigem Gestrüpp wie Brombeeren, Wildrosen,  Berbertitze, Weißdorn und Schwarzdorn und schnellwüchsigem Heckengehölze wie Eberesche oder Holunder.  Sie wurde immer dichter, je mehr die Tiere daran fraßen und bildete einen wirksamen Schutz für die Tiere, die Kulturpflanzen und die Menschen, die innerhalb dieser kleinen Insel im großen Wald lebten. Die Ernte und der Viehbestand waren bedroht durch die noch im Wald umherstreifenden Jäger, Raubtiere aber auch durch die Geister jenseits der schützenden Hecke. Doch bot die Hecke nicht nur Schutz, hier fand man Früchte und Beeren als Nahrung und Kräuter für Nahrungs-, Heil- und Ritualzwecke. Die Hecke bildet den Übergang zwischen dieser frühzeitlichen, einfachen Zivilisation und der Wildnis. Der Hag markierte den Herrschaftsbereich der Haus- und Sippengeister. Innerhalb des Hags konnte man sich sicher – beHAGlich - fühlen. Hier konnte man auch ruhig schlafen. „Von der Sicherheit, Dichte und Festigkeit dieser lebenden Dornenhecke war die Tiefe eines ruhigen Schlafes für Mensch und Haustier abhängig“[1].  Später wurde aus der Hecke ein Zaun und dann die Mauer, die den eigenen Bereich wie ein Schutzkreis umgab. Ringe, Ketten und Gürtel sind Erinnerungen an diesen Schutzkreis und wurden dafür angelegt, mit Schützenden Ritualen gereinigt und gesegnet.


Es waren die Frauen, die wussten, welche Pflanzen nahrhaft oder heilkräftig sind - sei es durch die Erfahrung, das Ausprobieren, zufällige Entdeckung oder sicherlich auch aus der Verbundenheit mit der Natur und dem natürlichen Umgang mit dem Wesen der Pflanzen. Der Mensch war abhängig von einer guten Ernte und verband diese mit dem Wohlgesonnen-Sein der Naturgeister. Mutter Erde und die Pflanzenwelt wurden als Nahrungs- und Lebensspendend verehrt, diese galten als genau so beseelt wie die Menschen (auch wenn „Seele“ eine Erfindung späterer Kulturen ist). Jede Sippe hatte ihre eigene Weise, diesen Naturgeistern und Göttinnen Namen zu geben und sie zu verehren. In den Feiern des Jahreskreises verehrte man diese Götter und bat Sie um ihren Segen für Saat und Ernte, um Gesundheit und Schutz. Magische und heilkräftige Pflanzen spielten bei diesen Feiern eine wichtige Rolle, viele Pflanzen waren bestimmten Gottheiten zugeordnet und indem man die Pflanze für ein Ritual verwandte, war auch die dazugehörige Gottheit „im Spiel“. Der Umgang mit der Pflanzenwelt wahr eher den Frauen zugeordnet und so ist es nachvollziehbar, dass insbesondere weibliche Gottheiten für das Überleben der Sippe angerufen wurden und dass Frauen einen hohen Stand innerhalb der Gemeinschaft hatten. Manche Kulturhistoriker gehen davon aus, dass in der Zeit eine matriarchalische Gesellschaftsform gelebt wurde. Genauso wurde schon vermutet, dass der Ursprung mancher Göttin in realen Frauen zu finden ist, die sich `als Bildnerinnen der Natur und als Schützerinnen des Lebens und der Gesundheit` hervortaten und von den Menschen durch deren Verehrung zu unsterblichen Göttinnen erhoben wurden. [2]
In jener Kultur kam gerade auch der älteren Frau eine Position der Stärke zu; Lebenserfahrung und Reife zählen als Werte, die man sich nur mit den Jahren erwerben konnte. Die Frauen waren es, die ihre Zeit in der Hecke verbrachten, dort heilkräftige Kräuter, Wurzeln und Beeren sammelten und mit den Geistern und Göttern auf beiden Seiten der Grenze in Kontakt standen.  Ältere Frauen waren es, die die physische und metaphysische Zwischenwelt der Hecke nicht scheuten, so wie in indigenen Kulturen heute noch die Zwischenwelt die Welt der Frauen in Übergangszeiten ist (Menstruation, Schwangerschaft, Klimakterium oder auf der Schwelle zum Tod). Die Kräuterfrauen pflegten den natürlichen Umgang mit der beseelten Welt in der Hecke. Sie selbst waren wie Zwischenwesen, die die Grenzen der Zivilisation und des Alltags, die Grenzen der Wahrnehmung überschritten. In der Kommunikation mit Pflanzen und Tieren und deren Seelen waren sie aufs innigste mit der Natur verbunden. Im Konglomerat aus Intuition, Spiritualität und dem Wissen aus Erfahrung und Beobachtung lernten die Kräuterfrauen die Pflanzen und deren Wirkungen auf Körper und Geist kennen. So wie ein Menschenkenner durch das genaue Betrachten von Mimik und Gestik und der Ausstrahlung eines Menschen zutreffende Rückschlüsse auf die Charaktereigenschaften eines Menschen schließen kann, verstanden die Kräuterfrauen anhand Wuchsformen, Standort, Geruch, Geschmack, Blütezeitpunkt usw. Rückschlüsse auf deren Charakter und damit deren Heilwirkung ziehen. 



Diese Kräuterfrauen waren es, die die Heilpflanzen und Anwendungen für verschiedene Krankheiten kannten. Die Frauen in der Hecke waren die weisen Frauen, die von den jüngeren um Rat gefragt, wenn eine Krankheit oder eine Verletzung behandelt werden musste.
Die Betrachtung des Menschen in seinem Umfeld spielte in der Behandlung von Krankheiten eine große Rolle. Gesund werden geschah weniger durch den Einsatz von Mittelchen und Pülverchen, es war ein ganzheitlicher Prozess, Gesund werden nahm Zeit in Anspruch und erfordert ein hohes Maß an Bereitschaft dazu. Die Medizin der damaligen Zeit war im Kontext der Umwelt und der Gemeinschaft zu sehen. Nicht ein isoliertes Organ war erkrankt, sondern der Mensch als ganzes und so wurde auch behandelt -  mit wirksamen Kräutern, mit Ritualen wie z. B. Räucherungen, Tänzen, Gesängen und mit magischen Praktiken, die Anwendung dieser Heilmittel geschah im festgelegten Rhythmus des Tages oder des Mondes. Auch die Entnahme der Pflanzen geschah nach strengen Vorschriften, unter Einbeziehung der Mondphasen oder der Tageszeit. Die Frauen mussten sich auf die Ernte vorbereiten und führten z. B. rituelle Bäder durch bevor sie in die Natur gingen oder sie gingen nackt, mindestens aber Barfuß. Die Pflanzen wurden auf vorgeschriebene Weise ausgegraben,  zur vorgegebenen Tages- oder Nachtzeit und im rechten Raum oder Behältnis gelagert. Die Kräuterfrauen kannten die genaue  Zubereitung jeder Pflanze und achteten auch bei der Zubereitung auf die Einhaltung bestimmter Regeln, wie das Rühren eines Suds in eine bestimmte Richtung. Der Ablauf dieser Rituale ist nur bruchstückhaft erhalten geblieben und wird meist nicht mehr als solches erkannt: Das Einnehmen moderner Medizin dreimal am Tag wird eher mit den Mahlzeiten in Verbindung gebracht als mit magischen Übergangszeiten, die die Heilkraft unterstützen.
Dise Kräuterheilerinnen gaben ihren großen Schatz an Wissen mündlich  an die nächste Generation weiter. Junge Frauen lernte sowohl von den erfahrenen Kräuterfrauen, sie machten auch ihre eigenen Erfahrungen und erweiterten so mehr und mehrdie Kenntnisse über die Heilkraft der Pflanzen und deren Anwendung.
Es wäre eine romantische Fehleinschätzung zu glauben,  dass jede Erkrankung mit Hilfe dieser Praktiken geheilt werden konnte. Das Leben war hart und viele sind an ihren Gebrechen gestorben. Ich vermute, dass auch damals die Gabe der Heilung eben dies, eine Gabe war. Wenngleich die Verbundenheit mit der Natur insgesamt enger und auf einer anderen Ebene stattfand konnte nicht jeder in gleichem Maße mit den Pflanzen kommunizierte. Eher gab es Frauen, die einen besonderen Zugang zur Heilkunde hatten und daher einen besonderen Stand innerhalb der Gemeinschaft einnahmen. Ich vermute, dass die älteren Frauen auch größere Kinder auf der Schwelle zum Erwachsenwerden mit in die Hecke nahmen, während die Erwachsenen auf dem Feld arbeiteten oder auf der Jagd waren. Die ganz Kleinen waren von der Mutter abhängig und wurden von ihr Betreut. Der Schritt vom Mädchen zur Frau ist ebenso eine Übergangszeit wie von der Erwachsenenzeit ins Alter. Eine Zwischenzeit, in der man offen ist für die Zwischenwelt in der Hecke. Es waren Kinder und alte Menschen weniger in den arbeitsintensiven Alltag eingebunden und konnten  sich eher mit philosophischem, intuitivem oder andersweltlichen Gedanken auseinandersetzten. 

In den nachfolgenden „Generationen“ der Kelten und Germanen behielt die Kräuterfrau ihren Platz in der Gesellschaft, ihr Heilwissen war unersetzlich. Auch wenn das Druidentum an Bedeutung gewann, war deren Aufgabe in hohem Maße auch politischer Natur, die Ausbildung dauerte sehr lange und war nur für auserwählte Personen zugänglich. Heilkundigen Frauen hingegen erlernten ihre Kenntnisse von klein auf und ließen diese vermutlich oft eher unbemerkt im Alltag mit einfließen,  wenn sie das Essen und die Tränke mit heilsamen Kräutern würzten und Wunden mit Kräutern, Salben, Bädern und Heilritualen behandelten. Sie wandten das generationenalte Wissen von Frauen in ihrem Wirken ganz selbstverständlich an und lehrten es im Alltag ihren weiblichen Nachkommen.   Das über die Jahrtausende erlange Wissen umfasste detaillierte Pflanzenkenntnisse, Sicherheit über Standortwissen, Wachstumsrhythmen, pharmakologische Eigenschaften und deren Wirkung auf die Seele.
Durch die Eroberung der keltischen Länder durch das römische Imperium, dem Einfall slawischer Völker aus dem Osten, der Völkerwanderung und nicht zuletzt dem Missionierungsdruck der gerade aufkeimenden christlichen Kirche wurde ein Paradigmenwechsel in Gang gesetzt, der immense Auswirkungen auf die Stellung der Frau und damit auch deren Heilkunde hatte.
Für mich, in einer rationalen, patriarchalischen, christlich geprägten Welt sozialisierten Frau des 21. Jahrhunderts, schulmedizinisch beeinflusst,  ist es nur schwer vorstellbar, wie der Austausch mit der Natur, den Pflanzen und den ursprünglichen Göttern konkret stattfand. War die Kommunikation mit der Natur etwas, das eine Generation von der andren lernte? Vielleicht ist ZEIT ein entscheidender Faktor. Wann nehme ich mir in meinem Alltag die Zeit, mich in die Natur zu begeben und dort an einem Platz zu Verweilen, zu Hören, zu Fühlen und die Gedanken abzuschalten. Womöglich ist Rückzug und Innehalten bei der Suche nach dem Wissen der Vergangenheit der Beste Weg nach vorne.
Ist das alte Wissen verloren oder sind nicht doch einige der als esoterisch bezeichneten Lehren die Erinnerung an altes Wissen? Mir scheint, dass die Hinwendung zu Lehren aus dem asiatischen Raum oder dem der amerikanischen Ureinwohner eine Suche nach den eigenen, verloren gegangenen Wurzeln ist.  Die Suche nach dem Wissen der Frau in der Hecke.


[1] (Höfler, 1908 (Reprint aus 1990))




[2] (Harlefs, 1830)